PUBERTÄT UND TERROR



Die New York Times schreibt heute über ein 16-jähriges Mädchen aus Queens, das fast 7 Wochen lang vom F.B.I. festgehalten wurde, weil der Verdacht bestand, daß sie eine Selbstmordattentäterin werden könnte. Nach ihrer Freilassung wurde sie nach Bangladesh ausgewiesen. Nach ihren eigenen Angaben ist ihre religiöse Überzeugung ein Versuch, sich von ihrer Umwelt abzugrenzen:

From childhood, Tashnuba embraced religion with a kind of rebellion. By 10 she was praying five times a day - and reproaching her more secular father, a salesman of cheap watches. At 12, Tashnuba even explored Christianity. But at 14, she adopted a full Islamic veil.
Hat man es hier jetzt mit einer überzeugten Djihadistin zu tun, die wie eine Zeitbombe nur darauf wartet, volljährig zu werden, um dann sofort 757-Flugstunden zu nehmen, oder mit einem Mädchen, das einen etwas anderen Weg des pubertären Widerstands geht (wobei natürlich dahingestellt sei, ob der Weg zu befürworten ist oder nicht)?
A government psychiatrist concluded that she was neither suicidal nor homicidal, and recommended her release. But the agents, Tashnuba said, kept "trying to link me to the psychological state." They zeroed in on the single artificial rose in her bedroom (her little sister's); a psychology course (required by her correspondence program), and an essay she wrote about the Department of Homeland Security (assigned as a writing evaluation by her tutor).
Diese unheilvolle Komination von Terrorangst und Unbehagen gegenüber ambivalent-pubertärem Verhalten hat es auch schon in einem anderen Kontext gegeben: Wer die RAF-Ausstellung in den Berliner KunstWerken besucht hat, erinnert sich vielleicht an eine der beiden Videoinstallationen im Foyer. Harun Farocki hat dort einen Fernsehfilm aus den siebziger Jahren auf ca. 5 Minuten zusammengeschnitten und somit Holzschnittartig die Hauptelemente der Storyline herausgestellt: Ein Pärchen, der Junge ganz Rebell und politisierter Popmusikhörer, das Mädchen ganz die Tochter eines Hohen Tieres. Klar, der Junge ist Teil einer Terrorgruppe, die ausgerechnet den Vater des Mädchens entführen will, um die Revolution loszutreten, Schleyer-artig. Kurz vor der Eskalation kommt es zur Konfrontation des Vaters und des Lovers der Tochter in einem Park: Der Vater weiß, daß er entführt werden soll, macht eindeutige Anspielungen, der Junge gibt ebenso eindeutige Anspielungen zurück, daß er von dem Erfolg der Aktion überzeugt ist. Als dann die Terroristen mit ihren Jeanshosen und Hassmasken in den Garten der Villa eindringen, hockt auf den Balkons schon die Bundeswehr, schreit »Halt!«, und erschießt einen. Die Tochter kommt, noch ganz ahnungslos, aus dem Haus gelaufen, ein Soldat zieht dem Jungen die Maske vom Gesicht, und der Tränen gibt es viele. In der Schlußszene dürfen Vater und Kommissar noch einmal reaffirmieren, daß jetzt Schluß sei mit dem Terroristengelumpe. Und die Kleine ist endlich wieder bei Daddy, wo sie hingehört.

Angstbesetzt war: Terrorismus, Sexualität, politische Aufmüpfigkeit, und wird daher in einen Topf geworfen.

Angstbesetzt ist: Terrorismus, Verweigerung von Sexualität, religiöse Aufmüpfigkeit, und wird daher in einen Topf geworfen.

Angstbesetzt ist immer: Deviantes Verhalten. Und wird daher mit Terrorismus in einen Topf geworfen.


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