MOST HOLEN



Alle Augenblicke schicke sie ihn, Konrad, in den Keller, soll Konrad zu Fro gesagt haben, Most holen! soll sie alle Augenblicke gesagt haben, hol Most!, und er sei auch immer, wenn sie frischen Most haben wollte, in den Keller hinunter. Einen Krug voll, damit ich nicht alle Augenblicke in den Keller hinunter muß, soll Konrad immer wieder zu ihr gesagt haben, nein, nur ein Glas, soll sie geantwortet haben, nur ein Glas, hol' nur ein Glas voll, damit wir immer frischen Most haben, also habe er ihr nur ein Glas, keinen Krug voll Most gebracht, immer von neuem er: einen Krug voll!, sie darauf: nein, nur ein Glas voll!, so habe er mehrere male am Tag um ein Glas Most in den Keller hinunter müssen, soll Konrad zu Fro gesagt haben, immer nur um ein Glas, während es doch das naheliegendste gewesen wäre, einen großen Krug voll Most aus dem Keller heraufzuholen, damit sie einen ganzen Tag daraus zu trinken gehabt hätten und er nicht fortwährend in den Keller hätte hinunter müssen, denn trinke man tagsüber aus einem großen, noch dazu in der kalten Küche stehenden und mit einem Holzbrett zugedeckten Krug, habe man genauso immer wieder frischen Most, als wenn man, wie er, Konrad, sich ausgedrückt haben soll, um jeden Schluck extra in den Keller geht und daran beinahe verrückt wird, immer heiße es: in den Keller hinunter und aus dem Keller herauf und, so Konrad zu Fro, wahrscheinlich weidete sie sich daran, mich alle Augenblicke in den Keller hinunter-, und wieder aus dem Keller heraufgehen zu sehen oder ganz einfach zu wissen, jetzt geht er in den Keller, jetzt steigt er aus dem Keller herauf, immer mühsamer, müssen Sie wissen, mein lieber Fro, soll Konrad zu Fro gesagt haben (das gleiche hat Konrad auch zu Wieser gesagt), mit denselben Wörtern.
Thomas Bernhard: Das Kalkwerk. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1973. S. 151/152.

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